
In den Köpfen der Anderen
Bücher sind wie der Blick in den Kopf eines Anderen. Lassen Sie sich einmal durch ganz andere Perspektiven überraschen und mental aus dem Tritt bringen. Es lohnt sich. All die folgenden Bücher behandeln elementare Fragen des Lebens und der Veränderung. Es sind Sachbücher, Romane oder auch dramatische Texte. Gönnen Sie sich den Luxus – fragen Sie sich ruhig einmal: „Was wäre, wenn es jetzt hier um mich ginge? Wie würde ich damit umgehen?“ Achten Sie darauf, was Sie dabei fühlen, was Ihnen durch den Kopf geht!
Lohnt es sich? Und wenn ja, wofür?

Wie geht es Ihnen gerade? Vor sich sehen Sie eine Skala von 1 bis 10. Sie beschreibt den Grad Ihres Wohlbefindens. Zehn würde bedeuten: Besser kann’s gar nicht sein – sechs Richtige im Lotto, frisch verliebt, Sie, ihre Freude und Verwandten erfreuen sich bester Gesundheit. Notieren Sie sich ihren Wert! Und nun zu Camus. Sisyphos ist nach Ansicht der Philosophen die Verkörperung der armseligen Menschheit, die in einer vermeintlich sinnlosen Welt ihren Lebenssinn mühsam zu erreichen sucht, um ihn freilich nie zu finden. Das klingt erst einmal ganz übel … Camus schreibt nun, man müsse sich Sisyphos als „glücklichen Menschen“ vorstellen. Können Sie sich das vorstellen? Und ganz zu Beginn seines Buches heißt es: „Die Entscheidung, ob das Leben sich lohne oder nicht, beantwortet die Grundfrage der Philosophie. Alles andere – ob die Welt drei Dimensionen und der Geist neun oder zwölf Kategorien habe – kommt erst später. Das sind Spielereien; zunächst heißt es Antwort geben.“ Wie beantworten Sie diese Frage für sich? Lohnt es sich, das Leben? Welchen „Stein“ wälzen Sie? Was sind ihre Antworten? Schreiben Sie sie auf! Mittlerweile sind vielleicht fünf bis zehn Minuten vergangen und Sie haben Camus‘ Frage für sich beantwortet. Wo sehen Sie sich jetzt auf der Skala von 1 bis 10? Was hat sich gerade verändert?
Die „Briefe an Lucilius“

Als Rezept gegen „innere Unruhe“ lassen sich die „Briefe an Lucilius“ auf eine Formel bringen. Seneca verfasste diese Briefe im ersten nachchristlichen Jahrhundert und sie haben nichts an Aktualität verloren. „Jeder ist dem Grade elend, als er es zu sein glaubt“, heißt es dort beispielsweise. Anders würden es Vertreter der zeitgenössischen Kognitiv-Behavioralen Psychologie wohl auch kaum formulieren. So hinterfragt Seneca, neuzeitlich gesagt, einschränkende Glaubenssysteme. Und das macht er gegenüber seinem „Schüler“ Lucius an zahlreichen Alltagsbeispielen fest. Sein Ziel als einer der bedeutendsten Repräsentanten der römischen „Stoa“ ist die lebenslange Selbstformung und unerschütterliche Haltung im Miteinander sowie im Glück und Leid.
Der Nachtzug nach Lissabon

Romananfänge sind eine Kunst für sich. Der im „Nachtzug nach Lissabon“ hat es in sich: „Der Tag, nach dem im Leben von Raimund Gregorius nichts mehr sein sollte, wie zuvor, begann wie zahllose andere Tage.“ Haben Sie auch schon einmal einen solchen Tag erlebt? Einen Tag, an dem nichts mehr sein sollte, wie zuvor … Sie denken nach … erinnern sich vielleicht … Vielleicht ist diese Erinnerung schwach … oder stark … Aber sie spüren, dass es sie gibt. Ganz bestimmt. Gregorius, die Hauptfigur im „Nachtzug“ gibt von jetzt auf gleich ihr bisheriges Leben auf, um einer Spur zu folgen, die jetzt wichtiger ist als alles andere. Wie ihr Schöpfer, Peter Bieri alias Pascal Mercier. Bieri war Philosophieprofessor bis er sich dem universitären System verweigerte und so ist auch der „Nachtzug“ ein Roman der sich leidenschaftlich aus der Philosophiegeschichte bedient, anspricht, worum es geht, wenn wir nur dieses eine schmerzhaft-glückliche Leben haben. Es ist ein Roman, der lehren kann, zündende Fragen zu stellen.
Triffst du Buddha unterwegs …

töte ihn … Der Umgang mit Autoritäten, genauer: die Lösung von Autoritäten sowie der ebenso schmerzhafte wie glückliche Prozess jeder echten Persönlichkeitsentwicklung steht im Fokus dieses Buches. Ein interessantes Experiment: Kopp spiegelt Werke aus der Weltliteratur, vom Gilgamesch-Epos über die Canterbury Tales bis hin zu Kafkas „Schloss“ mit Beobachtungen und Erfahrungen aus seiner Praxis als Psychotherapeut. Dieses Buch ist ein echtes Abenteuer, etwas für mutige Menschen. Sie gehen mit der Lektüre das Risiko ein, ihr bisheriges Selbstbild in Frage zu stellen. Und - lassen Sie sich durch das Buch-Cover nicht täuschen – mit Esoterik hat Kopps Werk rein gar nichts zu tun, vielmehr mit harter Arbeit.
Wenn plötzlich alles anders kommt …

Helmut Dubiel, Professor der Soziologie, stand vor dem Höhepunkt einer wissenschaftlichen Karriere als ihm die Diagnose „Parkinson“ einen Strich durch die Rechnung machte. „Tief im Hirn“ nimmt diese Erkrankung ihren Anfang und so heißt auch das beeindruckende Buch, in dem Dubiel seine Erfahrungen beschreibt. Er macht dies mit dem Blick des Analytikers, des Wissenschaftlers und reflektiert hier auch in philosophischer Klarheit die ständige Veränderung seines Selbstbildes. Sein Buch endet mit den Worten: „Das Wissen um die Offenheit des Lebens, die Ahnung dass hinter der nächsten Bergkette, hinter der nächsten Wegbiegung noch ein unbekanntes Land liegt, ist eine der Bedingungen des Glücks.“ Ein Buch, das dem Leben mitten ins Gesicht sieht und selbst in den dunkelsten Nischen noch den Willen zum Wachstum versprüht.
„Hör auf, umherzuirren“

„Lenken dich etwa die von außen einfallenden Dinge ab? Verschaff‘ dir doch die Ruhe, etwas Gutes hinzuzulernen und hör auf, umherzuirren.“ Eine der ganz großen Führungspersönlichkeiten, würde man wohl heute sagen, war Marc Aurel. Präsidenten-Suiten waren ihm fremd, auch wenn er über ein Imperium herrschte. Anstatt sich alle Annehmlichkeiten zu leisten, die er sich nach Stand und Vermögen hätte leisten können, verbrachte er fast sein komplettes, letztes Lebensjahrzehnt im Feldlager bei seinen Soldaten und verteidigte sein Reich gegen den Ansturm der „Barbaren“. Hier, in den heißen Sommern und feucht-nassen Winterlagern des Oströmischen Reiches verfasste der Kaiser Roms seine „Selbstbetrachtungen“. Als ich dieses Buch das erste Mal aufschlug, stolperte ich zunächst allerdings über etwas ganz anderes – die ausführliche Würdigung seiner Lehrer und Mentoren, die Marc Aurel in seinem Leben begleitet haben. Ja, wer hat uns eigentlich wirklich begleitet? Wie wirken diese Mentoren in uns fort? Und mit welcher ihrer Stimmen sprechen wir heute?